17.10.2021

Syndesmosenverletzungen


Syndesmosenverletzungen
Sprunggelenkverletzungen sind sowohl im Sport als auch im Alltag sehr häufig. In den meisten Fällen ist der laterale Kapsel-Band-Komplex betroffen. Man spricht dann von einem Bänderriss. Die Syndesmose ist aufgrund des Bewegungs-, Belastungs- und Anforderungsprofil besonders im Hockey und Fußball gefährdet. Die Verletzung ist somit häufiger im Amateur- und Profisport anzutreffen.
Generell muss man zwischen einer kompletten Verletzung des Syndesmosenkomplexes mit einer höhergradigen Instabilität und partiellen Schädigung beispielsweise der vorderen unteren Syndesmose mit oder ohne Beteiligung des Bandanteils zwischen dem Wadern- und Schienbein. Die isolierte Verletzung der Syndesmose des oberen Sprunggelenkes im Rahmen eines Verdreh- oder Umknicktraumas ist selten. Sie kann leicht übersehen werden oder als Sprunggelenksverstauchung bzw. Kapselriss fehlinterpretiert werden. Der in der medizinischen Literatur zitierte Anteil an Syndesmosenverletzungen liegt bei 1–11%.

Schematische Anatomie der Bänder am oberen Sprunggelenk

Grundlage

Syndesmosenverletzungen sind problematische Verletzungen des oberen Sprunggelenkes. Sie stehen hinsichtlich der Stabilitätseinschätzung sowie der Frage einer konservativen oder operativen Behandlung weiterhin in der Diskussion. Grundlage für das Verständnis der Verletzung und der sich ergebenden Behandlungsoptionen sind die Anatomie und die Biomechanik. Die Syndesmose kann in drei Etagen/Höhen eingeteilt werden: Höhe Wadenbeinkopf, langstreckig zwischen Schien- und Wadenbein und Höhe Sprunggelenk.
Wird über Syndesmosenverletzungen gesprochen meint man meistens den unteren Anteil, Höhe Sprunggelenk. Schien- und Wadenbein bilden das obere Sprunggelenk in Form der Sprunggelenksgabel. In dieser Gabel ist das Sprungbein (Talus) eingefasst. Die Bandstrukturen der Syndesmose stabilisieren diese Gabel.
Verletzungen der Syndesmose sind allgemein oft mit Sprunggelenksbrüchen verbunden, während im Sport häufiger isolierte Syndesmosenverletzungen zu finden sind. Sprunggelenksinstabilitäten führen – neben den zu erwartenden Funktionsbeschwerden – zu einer frühzeitigen Arthrose des oberen Sprunggelenks. Bereits eine Instabilität von 1mm «Spiel» in der Knöchelgabel führt zu einem um 44% gesteigerten Arthroserisiko.
Mehr als 13 % der Sprunggelenksarthrosen sind auf Band-Instabilitäten zurückzuführen. Daher kommt einer adäquaten Diagnostik und Behandlung dieser Verletzungen eine besondere Bedeutung zu.

Detaillierte Anatomie des Aussenknöchel-Bandapparates

Diagnostik

Ein kompletter Riss der Syndesmose führt zum Auseinanderweichen der Sprunggelenksgabel und das Sprungbein kann nicht mehr sicher geführt werden – dies ist sichtbar im belasteten Röntgenbild oder in gehaltenen Röntgenaufnahmen (Auseinanderweichen > 6mm).
Bei der Diagnose der Syndesmosenverletzung und Beurteilung des Bandapparates, sowie der Knorpelsituation nach einem Unfall spielt das Magnetresonanztomogramm (MRI) eine zentrale Rolle. Eine dynamische Untersuchung der Syndesmose mit Hilfe des Ultraschalls oder unter dem mobilen Röntgengerät ist als zusätzliches Diagnostikum wertvoll.
Die Kombination aus Arthroskopie/Spiegelung des oberen Sprunggelenks und vorgängiger MRI-Untersuchung scheint aus heutiger Sicht ein zuverlässiges Diagnostikum zu sein, um Verletzungen zu identifizieren, die eine operative Versorgung benötigen.
Aus pragmatischen Gründen empfiehlt sich folgende (einfache) Einteilung:
1. Zerrung (ohne Instabilität)
2. Partialruptur/-riss (leichte Instabilität)
3. Komplettruptur/-riss (Instabilität).

Stellschraube zur Stabilisierung der Sprunggelenksgabel bei instabiler Syndesmosenverletzung

Behandlung:

Konsens besteht in der konservativen (nicht operativen) Behandlung von stabilen Syndesmosenverletzungen. Diese werden durch Ruhigstellung und Entlastung behandelt und führen meistens zu einem kompletten Wiedererlangen der Stabilität wie vor dem Unfall.
Konsens besteht auch bei den instabilen Verletzungen, die eindeutig einer operativen Stabilisation der Bandstrukturen zugeführt werden sollte. Anschliessend ist eine Ruhigstellung notwendig, damit die rekonstruierten Strukturen sicher verheilen können.
Problematischer sind die inkompletten Risse der Syndesmose, die zu einer «leichten Instabilität» führen. In diesen Fällen ist eine arthroskopische Quantifizierung (Gelenksspiegelung mit Untersuchung unter Sicht) hilfreich um die definitive Entscheidung treffen zu können, ob eine operative Stabilisation notwendig ist oder nicht.
Die operative Behandlung erfolgt entweder mittels Schraube, die für 6 Wochen in Ruhigstellung des Fusses das Waden- und Schienbein gegeneinander fixiert und damit das Band/die Membran sichert. Alternativ zur Schraube (die nach 6 Wochen wieder entfernt werden muss) gibt es modernere Kunstband-Systeme, die durch ihre Flexibilität im Körper verbleiben können. Diese Versorgung hat v.a. durch den frühzeitiger möglichen «return to sports» einen wesentlichen Vorteil.
Im Endeffekt hat es oberste Priorität, das Wadenbein in korrekter Position (Länge, Abstand zum Schienbein und Rotation) zu reponieren, um eine chronische Instabilität im Oberen Sprunggelenk zu verhindern. Wie oben beschrieben ist die Dunkelziffer unerkannter Syndesmosenverletzungen gross, sodass sich im Zweifelsfall die Vorstellung beim Gelenkspezialisten lohnt.

Plättchen-Faden-System (TightRope®, Fa. Arthrex) zur Stabilisierung der Sprunggelenksgabel bei instabiler Syndesmosenverletzung
© Dirk Lehnen